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Die Bedeutung des Geldes in den Romanen von Jane Austen

Neulich sah ich wieder einmal Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Ich kenne auch das Buch, aber ich sehe mir immer wieder die wunderbare BBC Verfilmung mit Jennifer Ehle und Collin Firth an. Dabei fiel mir einmal mehr auf, wie konkret in den Romanen von Jane Austen über Geld gesprochen wird. In allen Romanen erfahren wir, wie viel Geld ein Ehepaar zur Verfügung hat oder mit welchem Erbe der Angebetete rechnen kann. Ich möchte mich hier aber auf Stolz und Vorurteil beschränken, damit der Beitrag nicht zu sehr aus dem Ruder läuft.

 

Über Mr Bingley, den späteren Ehemann von Jane Bennet, erfahren wir gleich zu Anfang, dass er ein jährliches Einkommen von 5000£ hat. Sein Freund Mr Darcy hat sogar eine Einkommen von 10.000£. Und das wird nicht hinter vorgehaltener Hand erzählt, sondern ist ein offenes Gesprächsthema in der Stadt, immerhin ist Mrs Bennet bestens informiert.

 

Weiterhin erfahren wir, dass Elizabeth Bennet und ihre Schwestern jeweils 1000£ erben werden, die zu 5% verzinst sind. (Hintergrundinfo: Damals legten Wohlhabende ihr Geld in Staatsanleihen an, die immer zu 4-5% verzinst waren. Deshalb weiß Mr Collins so genau, was seine Cousine Elizabeth an Erbe zu erwarten hat. Natürlich gab es auch Menschen, die größere Risiken eingingen, aber die spielen in der Welt von Jane Austen keine Rolle.)

 

In welchem modernen Roman wird so offen über Geld gesprochen? Nehmen wir zum Beispiel Bücher wie Shades of Grey oder Briget Jones. Der Mann der Wahl wird nebulös als Geschäftsmann beschrieben oder als Partner einer gutgehenden Anwaltskanzlei. Daraus und aus den zur Schau gestellten Statussymbolen können wir vermuten, dass die Herren gut betucht sind, aber Zahlen erfahren wir nicht. Und wir haben auch keine Ahnung, wie sie ihr Geld anlegen. Vermutlich nicht in sicheren Staatsanleihen oder Landbesitz, wie das früher der Fall war. Christian Grey ist Eigentümer verschiedener Firmen und steinreich, mehr wissen wir nicht.

 

Da Frauen im 19. Jahrhundert so gut wie keine eigenen Verdienstmöglichkeiten hatten und auch Land oder Geld in der Regel an den Sohn vererbt wurden, blieb ihnen nur die Möglichkeit einer Heirat, um finanziell abgesichert zu sein. Das war natürlich eine sehr ungerechte Regelung, aber darauf will ich hier nicht näher eingehen.

 

Familie Bennet hat nur fünf Töchter und deshalb ist der Cousin Mr Collins der Erbe. Mrs Bennet ist jetzt bestrebt, ihre Töchter gut situiert zu verheiraten, wobei immer wieder betont wird, dass die jungen Damen aufgrund ihrer geringen Mitgift nur wenige Chancen auf dem Heiratsmarkt haben. Sie haben im Roman natürlich das Glück, sich in einen reichen Mann zu verlieben, der darüber hinwegsieht. Und das ist immer wieder Thema in Jane Austens Romanen. Eine junge Frau (meist ein Nebencharakter) wird von einem Mann wegen fehlender Mitgift nicht erwählt, aber niemand findet das anstößig.

 

Stellt euch das mal in einem modernen Roman vor. Eine junge Frau verliebt sich in einen Mann, die beiden flirten heftig, aber dann erklärt er ihr, dass er sie leider nicht heiraten könne, da er selber nur ein geringes Einkommen hat und deshalb eine Frau mit Geld braucht. Klingt irgendwie absurd oder? Heute würden die beiden natürlich heiraten und sich gemeinsam nach oben arbeiten oder eben mit wenig Geld glücklich werden. Auf eine Art sind die Romane von Jane Austen da realistischer, denn Armut kann eine Liebe sehr belasten, aber das wollen wir heute natürlich nicht lesen.

 

Und wenn eine Frau sich zwischen einem reichen und einem armen Mann entscheiden muss? Dann wird der Plot des Romans eher so gestrickt sein, dass sie sich stärker in den reichen verliebt,der arme Mann entscheidet sich gegen sie oder zieht weg. Es wird aber nie der Eindruck erweckt, der reiche sei nur aufgrund seines Reichtums die bessere Partie.

 

Was meint ihr? Kennt ihr einen Roman aus dem letzten Jahrzehnt, wo so offen über Geld gesprochen wird wie bei Jane Austen? Oder fällt euch ein Roman ein, wo die Frau aus Vernunftgründen einen reichen Mann vorzieht und trotzdem ein zufriedenes Leben führt?

 

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